Über das Weggehen, Ankommen und Zuhause-sein.
„Wie oft müssen wir einen Weg gehen, bis sich unser Körper daran erinnert? Wie weit müssen wir gehen, bis unser Körper vergisst, woher wir gekommen sind?“ schreibt Daniel Schreiber in seinem Buch "Zuhause: Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen" und gibt Anlass zum Nachdenken und Nachfühlen.
Ein Weggehen von Zuhause braucht Zeit um sich zu gewöhnen an die neue Umgebung, das neue Umfeld und oft auch an eine neue Sprache. An ein Zuhause wird auch irgendwann womöglich die Frage gestellt: Kann oder konnte ich hier lernen zu vertrauen, zu fühlen, in meiner eigenen inneren Erfahrungswelt leben und über mich sprechen? So Daniel Schreiber, der in seinem persönlichen Essay auf Philosophie, Soziologie und Psychoanalyse blickend das Thema Zuhause beschreibt und zugleich seine eigene Geschichte erzählt: Von der Kindheit eines homosexuellen Jungen in einem mecklenburgischen Dorf, auf der Suche nach dem Platz, an den er sich sehnt: Zuhause. Der deutsche Philosoph Ernst Bloch beschreibt in seinem Werk "Das Prinzip Hoffnung" Heimat als etwas, das uns "in die Kindheit scheint" und das wir erst am Ende erfahren. Eine Erinnerung und zugleich eine große Hoffnung.
Aber ist Zuhause gleich Heimat?
Zuhause soll die Räumlichkeiten, in denen man wohnt, beschreiben. Mit Heimat wird der Ort, die Gegend oder das Land, wo jemand aufgewachsen ist, bezeichnet. Somit ist das Zuhause nicht die Heimat. Oder doch? Ist nicht für das Kind, wenn es sagt "Ich gehe heim" damit gemeint, dass er oder sie nach Hause geht? Und wenn das Kind Jahre später als erwachsene Person sagt "Ich fahre heim", heißt das dann nun, dass es zu sich nachhause fährt, wo es jetzt wohnt oder heim fährt, wo es aufgewachsen ist. Wohin aber? Was braucht es um sich heimelig zu fühlen?
Josef Kentenich, Pater und Gründer der internationalen Schönstattbewegung, meinte
"Wo wir Geborgenheit finden und geben, da ist Heimat."
Worte, die berühren dürfen... Denn ist es nicht so, dass man sich dort wohl fühlt, wo man verstanden und wahrgenommen wird?
Die US-amerikanische Schriftstellerin und Kämpferin für Freiheit und Gleichberechtigung Maya Angelou, die mit ihrem Buch "Ich weiß warum der gefangene Vogel singt" bekannt wurde, schreibt:
„Es ist die Sehnsucht nach dem Ort (…), an dem wir nicht nicht in Frage gestellt werden.“
Und damit stellt sich die Frage, was denn in Frage gestellt wird? Eine Andersartigkeit, die nicht gewünscht, nicht erlaubt oder nicht ausgehalten werden kann? Als Kind nimmt man es hin. Später hat man aber das Recht, wenn es einem als Kind nicht gegeben wurde, "einen Raum frei von Scham, der die Chance auf Intimität und Glück birgt" so Daniel Schreiber, zu schaffen.
Und dazu braucht es Mut und Erfahrung. Vilém Flusser, ein tschechisch-brasilianischer Medienphilosoph und Kommunikationswissenschaftler, meinte, dass Erfahrung etwas ist, das man buchstäblich er-fährt: Man fährt so lange bis man irgendwo ankommt. Dass es dabei Momente geben kann, in denen man merkt "Nein, so will ich das nicht" oder "Ja, hier fühle ich mich wohl" gehören dazu, wie die Sehnsucht selbst, dass man ankommen will. Wo auch immer das für jede(n) sein mag.
Dazu ist auch eine Bereitschaft notwendig, den Ort, die Gegend oder das Land wirken zu lassen auf sich und die Wurzeln auch wurzeln zu lassen. Zeit, Geduld und Achtsamkeit sich selbst gegenüber und der neuen Umgebung. Daniel Schreiber versucht gegen Ende des Buches auf ein "gut genug" für das eigene Leben zu achten. "Vielleicht ist alles, was man für ein Zuhause braucht, die Bereitschaft für sich selbst die Rolle der Eltern zu übernehmen, die gut genug sind.
Vielleicht sind wir tatsächlich viel öfter, als wir es glaube, schon da, wo wir sein müssen.“
Ob dieser Ort mitten in der Stadt, irgendwo in der Natur oder womöglich auch eine Mischung aus beiden ist, stellt ein Zuhause nur im Außen dar, das man geerbt, gebaut, gekauft oder gemietet hat.
Dabei gibt es aber einen noch wichtigeren Ort im Inneren in jedem von uns.
Den Ort in uns selbst. Den Ort in dir.
Egal wo wir sind. Egal wie wir leben. Egal wer wir sind oder zu scheinen mögen. Und vielleicht sollten wir uns auf der Suche nach einem Zuhause doch immer wieder fragen: "Bin ich denn nicht bereits bei mir und in mir zuhause?" Denn mein Körper geht immer mit, egal wo ich zuhause bin.
Teresa von Avila zum Ende, die wohltuend versucht zu erklären:
"Tue deinem Körper Gutes, damit deine Seele Lust hat darin zu wohnen."
Sinnliche Grüße,
Isabell
LeseTipp - "Zuhause: Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen" von Daniel Schreiber - "Der Wunsch zuhause zu sein" https://www.deutschlandfunk.de/serie-zu-heimat-der-wunsch-zu-hause-zu-sein.691.de.html?dram:article_id=363268
- "Was für immer mir gehört" von Maya Angelou
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